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12. 2. 20030:00

Informationsbericht zur gegenwärtigen Lage der deutschen Minderheit in der Tschechischen Republik

 

Informationsbericht zur gegenwärtigen Lage der deutschen Minderheit in der Tschechischen Republik und über ausgewählte Fragen der kroatischen und polnischen Minderheit


 

(Zur Vorlage bei der Regierungssitzung der Tschechischen Republik am 12. Februar 2003, den Regierungsmitgliedern zur Information. Vorgelegt von PhDr. Petr Mareš, Minister für Forschung und Entwicklung, Menschenrechte und Personalentwicklung, Regierungsratsvorsitzender für nationale Minderheiten)


 

Inoffizielle Übersetzung ins Deutsche – Einzelheiten zu Fragen der kroatischen und polnischen Minderheit sind nicht enthalten


I. Vorlagebericht

Dieses Material wird den Regierungsmitgliedern auf der Grundlage der Tagung des Koordinierungsrats des Deutsch-Tschechischen Gesprächsforums (im Weiteren nur “Koordinierungsrat”) vorgelegt. Auf seiner Tagung am 8. Januar 2002 fand in Prag in der Arbeitsgruppe “Dialog zwischen den Tschechen und Deutschen und den für diesen Dialog wichtigen Minderheiten” eine Diskussion zum Material der Landesversammlung der Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien statt. Deren Vertreter überreichten nämlich am 15. August 2001 einen Antrag an den Petitionsausschuss des Abgeordnetenhauses des Parlaments der Tschechischen Republik, die Angehörigen der deutschen Minderheit in Tschechien zu entschädigen (siehe Punkt 7.1.1 der Information). Auf seiner Tagung am 7. März 2002 ersuchte der Koordinierungsrat deshalb die Vertreter der deutschen Minderheit in Tschechien und der sorbischen Minderheit in Deutschland, bis zum 1. Juli 2002 einen Bericht über die Lage und ihre Probleme zu erstellen und zuzusenden. Diese Berichte sollten den Regierungen und entsprechenden Institutionen in der Tschechischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland mit der Bitte übergeben werden, bis Ende 2002 dazu Stellung zu nehmen.

Die Vertreter der deutschen Minderheit in Tschechien und der sorbischen Minderheit in Deutschland legten die geforderten Unterlagen auf der Tagung des Koordinierungsrats in Berlin am 28. Juni 2002 vor (siehe Punkt 7.1.2 der Information). Nach gründlicher und teilweise auch kontroverser Diskussion entschieden die Vorsitzenden des Koordinierungsrats (für die deutsche Seite der Staatsminister beim Bundesministerium des Äußeren Christoph Zöpel und für die tschechische Seite der Sonderbotschafter Otto Pick), die Berichte den zuständigen Regierungen in Deutschland und Tschechien mit Bitte um Stellungnahme zuzusenden. Der Bericht über die Stellung der Angehörigen der deutschen Minderheit in Tschechien wurde für den Koordinierungsrat von der Leitung der Landesversammlung der Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien in Zusammenarbeit mit seinen Regional-organisationen ausgearbeitet. Die Landesversammlung nutzte dabei die Unterlagen, die für den von der tschechischen Regierung am 12. Juni 2002 erörterten Bericht über die Lage der nationalen Minderheiten in der Tschechischen Republik im Jahr 2001 (Beschluss Nr. 600) vorbereitet worden waren.

Die Berichte über die Stellung der sorbischen Minderheit in Deutschland und die Stellung der deutschen Minderheit in Tschechien wurden der deutschen Bundesregierung im Oktober 2002 zugesandt. Die Stellungnahme der Bundesregierung zu den Berichten ging beim Koordinierungsrat am 15. November 2002 ein. Diese Stellungnahme wird offiziell auf der Tagung der Jahreskonferenz des Deutsch-Tschechischen Gesprächsforums in München am 14. – 16. Februar 2003 vorgetragen.

Wie aus dem oben angeführten Bericht über die Lage der nationalen Minderheiten in der Tschechischen Republik im Jahr 2001 hervorgeht, haben auch die Vertreter der kroatischen Minderheit ähnliche Anregungen betreffend die Stellung ihrer Minderheit nach dem Zweiten Weltkrieg und ihre Situation nach November 1989. Auch die Vertreter der polnischen Minderheit treten mit aktuellen Anregungen betreffend die Schulbildung für die polnische nationale Minderheit.

Die Information zur gegenwärtigen Lage der deutschen Minderheit in der Tschechischen Republik und über ausgewählte Fragen der kroatischen und polnischen Minderheit für die Regierungsmitglieder fasst die thematischen Fragenkreise zusammen, die sich aus den Eingaben der angeführten Minderheiten ergeben. Zu den einzelnen Textpassagen werden sachliche Erläuterungen gegeben. Im Falle der deutschen Minderheit ist es nicht nur die Eingabe an den Koordinierungsrat, sondern auch eine 2001 an den Petitionsausschuss des Abgeordnetenhauses des Parlaments der Tschechischen Republik gesandte Eingabe und den folgenden Brief vom 26. November 2002, der an den stellvertretenden Ministerpräsidenten und Vorsitzenden des Regierungsrats für nationale Minderheiten und die zuständigen Organe des tschechischen Parlaments adressiert war (siehe Punkt 7.1.3 der Information). Die Information reflektiert ferner die Eingaben des Vereins der Bürger kroatischer Nationalität in der Tschechischen Republik, die an den Petitionsausschuss des Abgeordnetenhauses des Parlaments der Tschechischen Republik und seinen Unterausschuss für nationale Minderheiten und den Unterausschuss für die Anwendung der Charta der Grundrechte und –freiheiten am 30. Januar 2002 gerichtet wurde (siehe Punkt 7.2.2 der Information), sowie auch die Eingabe des Kongresses der Polen in der Tschechischen Republik in Sachen des Schulwesens für die polnische nationale Minderheit, adressiert an die Ministerin für Schulwesen, Jugend und Körpererziehung am 5. November 2002 (siehe Punkt 5.2 der Information).

Das Anmerkungsverfahren zum vorliegenden Material fand im Rahmen der Agenda des Regierungsrats für nationale Minderheiten statt. In diesem Zusammenhang sollte aufgeführt werden, dass die Vertreter der deutschen Minderheit im Rat zu einigen Formulierungen im Text unterschiedliche Standpunkte eingenommen haben. Im Namen des Kulturverbandes der Angehörigen der deutschen Minderheit in der ČR wurde eine Differenz bezüglich der „Suche nach einem Weg zu einer humanitären Geste“ (siehe Teil 7.1.3 Informationen) ausgesprochen und stattdessen empfohlen, sich mit „den Perspektiven der Zukunft“ zu beschäftigen. Die Vertreter der Landesversammlung der Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien erachten es dem gegenüber für wichtig, dass das Material auch Vorschläge für Massnahmen beinhaltet, wie sie in den bisherigen Vorlagen formuliert waren (siehe Teil 7.11-7.1.3 Informationen). Mit diesem Punkt wird sich der Rat in seiner weiteren Tätigkeit beschäftigen.

Die Anmerkungen der Ratsmitglieder (Vertreter der nationalen Minderheiten und Vertreter der Ressorts) zu dem Material wurden unmittelbar nach der Ratssitzung am 20.1.2003 und am 3.2.2003 geordnet und eingearbeitet. Zum Entwurf des Materials nahm der Rat am 3.2.2003 den Beschluss Nr. 27 an, mittels dessen er den Ratsvorsitzenden darum ersucht, das Dokument bei der Regierungsversammlung als Information für die Regierungsmitglieder vorzulegen.


II. Information zur gegenwärtigen Lage der deutschen Minderheit in der

Tschechischen Republik und über ausgewählte Fragen der kroatischen

und polnischen Minderheit


1. Rechtlicher Rahmen für die Stellung der nationalen Minderheiten in der Tschechi- schen Republik

Der Schutz der Rechte nationaler Minderheiten in der Tschechischen Republik wird in den Verfassungsgesetzen festgelegt – der Verfassung der Tschechischen Republik und der Charta der Grundrechte und – freiheiten. Ausführlicher werden die Rechte der Angehörigen natio-naler Minderheiten vom Gesetz Nr. 273/2001 Slg., Gesetz über die Rechte von Angehörigen nationaler Minderheiten und über die Änderung einiger Gesetze, in der Fassung der späteren Vorschriften, (im Weiteren nur “Minderheitengesetz”), das am 2. August 2001 in Kraft trat, geregelt, sowie auch von weiteren Gesetzen, die Teilbereiche der Rechte von Angehörigen nationaler Minderheiten regeln.

Die Tschechische Republik ist dem Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten (ETS 157) beigetreten (ratifiziert am 18. Dezember 1997), für die Tschechische Republik trat das Übereinkommen am 1. April 1998 in Kraft. Die Regierung der Tsche-chischen Republik erklärte gleichfalls ihre Zustimmung zur Unterzeichnung der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen (ETS 148), die dann am 9. November 2000 unterzeichnet wurde.

Explizit ist der Schutz der Rechte und die Unterstützung der deutschen Minderheit im bilateralen Vertrag mit der Bundesrepublik Deutschland von 1992 enthalten.1 Dieser Vertrag widmet sich der Stellung der deutschen Minderheit in Artikel 20 Abs. 1 bis 5 und Artikel 21 Abs. 1 bis 3, wonach die Förderung des Erhalts, der Entfaltung der Kultur und Traditionen dieser Minderheit garantiert sind. Ähnlich legt die Vereinbarung über die kulturelle Zusammenarbeit mit Deutschland2 fest, das die Vertragsparteien den Angehörigen nationaler Minderheiten Schutz und Unterstützung gewähren. Spezifische Bedeutung hat die Deutsch-Tschechische Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung (unterzeichnet am 21. Januar 1997; das Abgeordnetenhaus des Parlaments der Tschechischen Republik erklärte seine Zustimmung zur Erklärung mit Beschluss Nr. 221 vom 14. Februar 1997; im Weiteren nur “Erklärung”). So ergeben sich konkret aus Artikel V. der Erklärung direkt Verpflichtungen für die Förderung der Angehörigen der deutschen Minderheit in der Tschechischen Republik und von Personen tschechischer Abstammung in der Bundesrepublik Deutschland.

In der Beziehung zu Angehörigen der kroatischen Minderheit legt die Vereinbarung zwischen der Regierung der Tschechischen Republik und der Regierung der Kroatischen Republik über die Zusammenarbeit im Bereich Kultur, Schulwesen und Wissenschaft3 u. a. in Artikel 8 die Verpflichtung fest, die Bedingungen für den Erhalt ihres kulturellen und historischen Erbes, die Entfaltung ihrer eigenen Kultur und ihrer verschiedenen Aspekte zu gewährleisten.

Die Förderung der polnischen Minderheit in der Tschechischen Republik wird im Abkommen zwischen der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik und der Polnischen Republik über gute Nachbarschaft, Solidarität und Freundschaftliche Zusammenarbeit4 ausdrücklich in Artikel 8 Abs. 1 bis 4 enthalten. Auch die Vereinbarung zwischen der Regierung der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik und der Regierung der Polnischen Republik über die kulturelle und wissenschaftliche Zusammenarbeit (unterzeichnet am 16. September 191) legt die beiderseitigen Verpflichtungen mit Hinsicht auf die Stellung der nationalen Minderheiten fest (Artikel 6). Eine Bestimmung zur Garantie der Förderung der polnischen nationalen Minderheit in der Tschechischen Republik ist auch im neu vorbereiteten Kulturabkommen zwischen der Regierung der Tschechischen Republik und der Regierung der Polnischen Republik vorgesehen.

In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die Vertreter nationaler Minderheiten in der Tschechischen Republik oft allgemein darauf hinweisen, dass die Verpflichtungen aus bilateralen oder Regierungsabkommen im Bezug auf ihre erklärten Bedürfnisse nicht im verlangten Maße erfüllt werden.


2. Demographische Aspekte

2.1 Nach den endgültigen Ergebnissen der Volkszählung von 2001 haben sich in der Tschechischen Republik insgesamt 39 106 Personen zur deutschen Nationalität bekannt. Im Bezug zur Gesamtbevölkerung ist das ein Anteil von 0,4 %. Gegenüber den Ergebnissen von der letzten Volkszählung 1991 sank die Zahl der sich zur deutschen Nationalität bekennenden Personen um fast 21 %. Deutsch als Muttersprache gaben bei der Volkszählung insgesamt 41 238 Personen an (0,4 %), Deutsch und Tschechisch gleichzeitig, d. h. zwei Muttersprachen, 11 061 Personen (0,1 %). Hinsichtlich der regionalen Verteilung der Deutschen überwiegen die Grenzregionen (Bezirk Ústí/Aussig 9 714 Personen, Bezirk Karlovy Vary/Karlsbad 8 701 Personen, Bezirk Moravskoslezský/Mähren-Schlesien 4 377 Personen, Bezirk Liberec/Reichenberg 3 618 Personen, Bezirk Hradec Králové/Königgrätz 2 536 Personen, Bezirk Plzeň/Pilsen 1 063 Personen, Bezirk Jihomoravský/Südmähren 976 Personen). Nach qualifizierten Schätzungen und Ansichten der Vertreter der deutschen Minderheit sind die angeführten Angaben unterdimensioniert. Die Vertreter der deutschen Minderheit betonen, dass die ältere Generation immer noch Angst hat, sich offen zur deutschen Nationalität zu bekennen. Diese Ansicht kann auch als gewisses Anzeichen für das ethnische Klima in der tschechischen Gesellschaft gewertet werden.

2.2 (kroatische Minderheit)

2.3 (polnische Minderheit)


3. Vereinigungen der Angehörigen nationaler Minderheiten

Die Angehörigen nationaler Minderheiten gründen im Einklang mit der geltenden gesetzlichen Regelung5 ohne Einschränkungen eigene Organisationen, die als nichtstaatliche gemeinnützige Organisationen Tätigkeiten entfalten. Die Vereine der Angehörigen nationaler Minderheiten kennen eine individuelle und kollektive Mitgliedschaft, sie vereinen Angehörige nationaler Minderheiten und Bürger der Mehrheitsgesellschaft. Es gibt auch Verbände und Vereine, in denen kollektive Mitglieder mehrerer Minderheiten versammelt sind, wie z. B. die Assoziation der Nationalitätenvereine der Tschechischen Republik.

3.1 Die deutsche Minderheit verfügt über ein ausgebautes und umfangreiches Netz eigener Vereine und Organisationen. Die wichtigsten Organisationsgruppen sind jedoch die folgen-den: der schon mehr als dreißig Jahre bestehende Kulturverband der Bürger deutscher Nationalität der Tschechischen Republik mit regionalen Organisationen, von denen einige auch eine eigene Rechtssubjektivität haben (im Weiteren nur “Kulturverband der Deutschen”), und die Landesversammlung der Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien (im Weiteren nur “Landesversammlung der Deutschen”). Dazu arbeiten einige regionale Organisationen völlig autonom, wie z. B. der Verband der Deutschen im Riesengebirge mit Sitz in Trutnov/Trautenau, der Verband der Deutschen im Adlergebirge mit Sitz in Šumperk/Schönberg oder auch die Vereine von Angehörigen der deutschen Minderheit in anderen Regionen (gegenwärtig z. B. der Deutsche Sprach- und Kulturverein Brünn) u. ä. Insgesamt sind in den Satzungen von mehr als 40 deutschen Minderheitenorganisationen Minderheitsaspekte der deutschen Minderheit enthalten. Ein Problem besteht im hohen Altersdurchschnitt der Mitglieder. Die Angehörigen der älteren deutschen Bevölkerung haben immer noch Befürchtungen, ihre nationale Angehörigkeit zu bekennen. Das hat zur Folge, das die Zahl der Mitglieder relativ gering ist, nach qualifizierten Schätzungen sind es etwa 8 000 Personen.

3.2 (kroatische Minderheit)

3.3 (polnische Minderheit)


4. Beteiligung der Vertreter von nationalen Minderheiten an der Regelung von natio-nale Minderheiten betreffenden Sachen

Die Vertreter der deutschen Minderheit weisen in ihrer Eingabe an den Koordinierungsrat, dass sie das “neue Minderheitengesetz in der Selbstverwaltung” nicht nutzen können. Dabei handelt es sich um ein Missverständnis: das Minderheitengesetz legt in Beziehung zu den Selbstverwaltungsbehörden die Einrichtung von Komitees für nationale Minderheiten fest, und an Stellen, wo es solche Beratungsorgane der Selbstverwaltung gibt, ist die Teilnahme der Vertreter aller nationaler Minderheiten gewährleistet. Es ist offensichtlich, dass die aktive Beteiligung der Angehörigen der deutschen Minderheit wegen ihrer unfreiwilligen weit gestreuten Ansiedelung auf grundlegende Probleme stößt. Dennoch sind Vertreter aller nationaler Minderheiten, also auch der deutschen, in den Beratungsorganen der staatlichen Verwaltung vertreten. Das sind nicht nur das Beratungsorgan der Regierung für Angelegenheiten nationaler Minderheiten – der Regierungsrat für nationale Minderheiten, sondern auch die entsprechenden Ministerien (Kultusministerium, Ministerium für Schulwesen, Jugend und Körpererziehung6). Dasselbe trifft auch für die öffentlich-rechtlichen Medien zu (Konsultationsgruppe für Sendungen für nationale Minderheiten des Tschechischen Rundfunks, gegenwärtig laufen die Verhandlungen für die Einrichtung einer ähnlichen Konsultationsgruppe für Sendungen für nationale Minderheiten beim Tschechischen Fernsehen). In Übereinstimmung mit dem Statut des Regierungsrats für nationale Minderheiten7 und im Sinne von § 6 Abs. 3 des Minderheitengesetzes sind Mitglieder dieses Beratungsorgans der Regierung für die Angelegenheiten nationaler Minderheiten Vertreter von elf Minderheiten, d. h. der bulgarischen, deutschen, griechischen, kroatischen, polnischen, Roma-, russischen, ruthenischen, slowakischen, ukrainischen und ungarischen Minderheit; Vertreter dieser Minderheiten beteiligen sich je nach Interesse an der Arbeit in den Beratungs- oder Exekutivorganen der staatlichen Verwaltung, deren Tätigkeit mit der Erfüllung der Rechte für die nationalen Minderheiten zusammenhängt.


5. Bildung der Angehörigen nationaler Minderheiten in ihrer Muttersprache im staat-lichen Schulsystem

Die Gewährleistung der Bildung von zu nationalen Minderheiten gehörenden Schülern leidet unter den Mängeln der geltenden rechtlichen Regelung.8 Der Wortlaut des Schulgesetzes wird von Vertretern der nationalen Minderheiten kritisiert, besonders von der deutschen und der polnischen (wegen der geringen Zahl und der verstreuten Ansiedlung machen Vertreter der kroatischen Minderheit keine Forderungen auf Ausbildung in der Muttersprache im Rahmen des Schulsystems geltend). Die Anregungen der deutschen und polnischen Minderheit betreffen zum einen Änderungen in der Regelung betreffend die Mindestzahl von Schülern in einer Klasse oder Schule mit Unterrichtssprache einer nationalen Minderheit, zum anderen Möglichkeiten einer zweisprachigen Erziehung im Rahmen des Schulbildungsprogramms bei bestimmten Fächern oder Teilen davon, d. h. auch in der Sprache der nationalen Minderheit usw. Die konkrete Möglichkeit einer zweisprachigen Schulbildung im Hinblick auf die Geltendmachung von Minderheitensprachen war zwar im Regierungsentwurf des neuen Schulgesetzes enthalten, das Abgeordnetenhaus des tschechischen Parlaments lehnte dieses jedoch in der vergangenen Wahlperiode ab (am 25. April 2002). Es ist anzunehmen, dass die im nicht verabschiedeten Entwurf des Schulgesetzes von 2002 enthaltenen Grundprinzipien in dieser Sache in der neu vorbereiteten rechtlichen Regelung des Gesetzes über das Bildungswesen enthalten sein werden.


5.1 Bildung in der Muttersprache der Angehörigen deutscher Minderheit

Das Ministerium für Schulwesen, Jugend und Körpererziehung bezog 1996 die Private Grundschule der deutsch-tschechischen Verständigung und das Erste Thomas-Mann-Gymnasium in Prag (Prag 8) in das Schulnetz ein. Die Schule war ursprünglich vom damaligen Verband der Deutschen in der ČSFR, dem Vorgänger der Landesversammlung der Deutschen, 1991 als private Grundschule mit den Unterrichtssprachen deutsch und tschechisch mit dem Ziel gegründet worden, die deutsche Sprache ab der 1. Klasse zu unterrichten. Das Thomas-Mann-Gymnasium in Prag (Prag 8) wurde 1995 vom Verband der Deutschen – Region Mittelböhmen auf Anregung von Eltern als Private Grundschule der deutsch-tschechischen Verständigung gegründet worden. Das Gymnasium vermittelt in acht Klassen eine allgemeine Bildung mit erweiterten Unterricht der deutschen Sprache und mit teilweisem Unterricht der einzelnen Fächer teilweise in Deutsch (Mathematik, Geographie, Biologie, deutsche Geschichte, deutsche Literatur). Die Schule pflegt mit mehreren Schulen in der Bundesrepublik Deutschland partnerschaftliche Beziehungen. Zweisprachige Gymnasien gibt es auch schon an anderen Orten (Liberec/Reichenberg u. a.).

Im Jahr 1997 begann die Bernard-Bolzano-Grundschule in Tabor ihre Tätigkeit. Sie ist in das Schulnetz des Ministeriums für Schulwesen, Jugend und Körpererziehung einbezogen und der Unterricht läuft nach dem Bildungsprogramm Allgemeine Schule mit erweitertem Sprachunterricht. Die Schule hat jedoch keine Beziehung zu Aktivitäten der deutschen nationalen Minderheit.

In Beziehung zur deutschen Minderheit förderte das Schulministerium eine Reihe von Seminaren für Lehrer in Grenzgebieten mit Ausrichtung in die deutsch-tschechischen Beziehungen und auch die Herausgabe von Informationsmaterialien für Pädagogen. Die Subventionen aus dem Staatshaushalt für diese Aktivitäten betrugen 2001 mehr als 2 000 Tsd. CZK.

Die Vertreter der deutschen Minderheit sind sich der Tatsache bewusst, das sie wegen ihrer verstreuten Siedlungsstruktur und wegen der geringen Schülerzahl in den einzelnen Gemeinden nicht die Bedingungen für die Gründung selbstständiger Klassen oder Schulen mit Unterrichtssprache Deutsch erfüllen können. Deshalb schlagen sie vor, dass der Staat die Schulbildung in Deutsch als Muttersprache für Kinder aus deutschen Familien und aus Familien mit einem deutschen und einem anderen Elternteil durch Einrichtung von zweisprachigen Grundschulen mit Deutsch als Zielsprache für die nationale Minderheit einrichte. Die geltenden tschechischen Rechtsvorschriften regeln eine solche Möglichkeit bislang noch nicht ausdrücklich. Eine sprachliche Bildung der Angehörigen der deutschen Minderheit findet somit im Rahmen des staatlichen Schulsystems nur teilweise in Form des erweiterten Unterrichtsprogramms der {normalen} Grundschulen statt. Der Schwerpunkt der Bildung in der Minderheitensprache liegt außerhalb der staatlichen Schulen, vor allem in den von der bundesdeutschen Regierung geförderten Begegnungszentren der Deutsch-Tschechischen Versöhnung (gegenwärtig gibt es 15 solcher Zentren in Tschechien) oder durch die Sprachbildungsprogramme des Goethe Instituts. Die Vertreter der deutschen Minderheit bewerten die Lage im Schulwesen grundsätzlich positiv, begrüßt wird vor allem die Einführung des Deutschunterrichts ab der 4. Klasse und die Möglichkeit Sprachkurse zu nutzen, die von den regionalen Organisationen der deutschen Minderheit oder den Begegnungszentren organisiert werden. Sie würden jedoch die Möglichkeit eines erweiterten Unterrichtsprogramms in mehr Regionen und in Regionen mit einer geringeren Zahl von Kindern aus deutschen Familien begrüßen.

Es ist offensichtlich, dass die spezifischen Bedürfnisse der Schulbildung in der Muttersprache der deutschen Minderheit noch nicht in vollem Maße reflektiert werden. Mit der Schaffung gesetzlicher Voraussetzungen für eine zweisprachige Schulbildung kann dies gewährleistet werden. Unter anderem bedeutete dies, spezifische Unterrichtsprogramme in den entsprechenden Schulen nach den örtlichen Gegebenheiten und bei Berücksichtigung der Geltendmachung der Minderheitensprachen vorzubereiten, gleichfalls müsste das Kriterium der Mindestzahl von Schülern in einer Klasse oder Schule neu definiert werden.

5.2 (polnische Minderheit)


6. Förderung des Erhalts und der Entfaltung der Minderheitenkulturen und der He-rausgabe von Minderheitenpresse

Die einzelnen Minderheiten entfalten ihre gesellschaftlichen und kulturellen Aktivitäten unabhängig durch ihre Organisationen. Ihre Tätigkeit (Realisierung von Projekten) wird aus dem Staatshaushalt gefördert, wie aus der Regierungsverordnung Nr. 98/2002 Slg., mit der die Bedingungen und die Art der Leistung von Subventionen aus dem Staatshaushalt für Aktivitäten der nationalen Minderheiten und für die Förderung der Integration der Minderheit der Roma festgelegt werden, hervorgeht. Neben der Förderung von Kulturprojekten der Angehörigen nationaler Minderheiten im Rahmen der Subventionspolitik werden diese Tätigkeiten auch wesentlich von den Selbstverwaltungsbehörden subventioniert. Größere Städte und Bezirksämter entwickeln allmählich eigene Subventionsprogramme (z. B. Bezirksamt des Bezirks Moravskoslezský/Mähren-Schlesien, Bezirksamt des Bezirks Jihomoravský/Südmähren, Bezirksamt des Bezirks Ústí/Aussig, vor allem jedoch Magistrat der Hauptstadt Prag, aber auch andere Bezirksstädte wie Brno/Brünn, Ostrava/Ostrau, Liberec/Reichenberg, Ústí nad Labem/Aussig u. ä.).

6.1. Die Regionalverbände der Landesversammlung der Deutschen veranstalten jedes Jahr Tage der deutschen Volkskultur. Die Hauptveranstaltung ist dabei das Treffen von Vertretern der zwanzig Regionalverbände, das Große Treffen der Volkskunst und –kultur der deutschen Minderheit. Neben der Landesversammlung der Deutschen organisieren auch der Kulturverband der Deutschen und seine regionalen Organisationen Dutzende kultureller Veranstaltungen im örtlichen Rahmen. Diese Organisationen betreiben z. B. Folkloreensembles, die auch Seminare mit dem Unterricht von Volkstänzen der entsprechenden Region organisieren (z. B. Seminar Egerländer Volkstänze), sammeln und rekonstruieren alte deutsche Tänze, Trachten und Bräuche (z. B. das Buch Bräuche und Gewohnheiten im Schönhengstgau, Schönhengstgauer Lieder und Tänze), organisieren Ausstellungen u. ä.

Im Rahmen der Subventionsprogramme des Kultusministeriums wurden 2001 Projekte der Landesversammlung der Deutschen, des Kulturverbands der Deutschen, Egerländer Gmoi z´Schlaggenwald Horní Slavkov/Schlaggenwald, des Deutschen Freundeskreises Kravaře/Kravarn, des Deutschen Kulturverbands Region Brno/Brünn, des Schlesischen deutschen Verbands Opava/Troppau, des Schlesisch-deutschen Verbands im Hultschiner Ländchen, Sitz in Hlučín/Hultschin, des Bunds der Deutschen – Landschaft Egerland, des Verbands der Deutschen – Region Nordmähren, Adlergebirge, des Verbands der Deutschen – Region Prag und Mittelböhmen, des Verbands der Deutschen – Region Liberec/Reichenberg, der Lausitz und Nordböhmen. Insgesamt waren es 857 000 CZK.

Die Förderung von Projekten von Angehörigen der deutschen Minderheit aus dem Staatshaushalt richtet ist ähnlich wie bei anderen Minderheiten auch auf die Schaffung der Voraussetzungen für das Erscheinen einer eigenen periodischen Presse ausgerichtet. Jedes Jahr werden so zwei deutsche Zeitungen gefördert, die alle zwei Wochen erscheinen: die Landes-Zeitung. Zeitung der Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien (Herausgeber Landesversammlung der Deutschen) und Prager Wochenzeitung. Wochenblatt der deutschen Bürger in der Tschechischen Republik (Herausgeber Kulturverband der Deutschen). Die Subvention für die Herausgabe dieser Zeitungen beträgt jährlich mehr als 4 000 Tsd. CZK, konkret 2001 war es ein Betrag von insgesamt 4 300 Tsd. CZK.

Über den Rahmen der üblichen Subventionsprogramme des Kultusministeriums, der Förderung von Projekten der einzelnen Minderheitenorganisationen förderte das genannte Ministerium mit 2 500 Tsd. CZK das Erscheinen der aktuellen Publikation Geschichte verstehen. Die Entwicklung der deutsch-tschechischen Beziehungen auf unserem Gebiet in den Jahren 1848 – 1948 (Prag 2002), die eine Fortsetzung der Publikation Thema: Odsun – Vertreibung ist, welche vom Ministerium für Schulwesen, Jugend und Körperkultur heraus-gegeben wurde. Es handelt sich um Informationsmaterial für die Lehrer zum Unterricht an den Grund- und Mittelschulen. An der Vorbereitung der Herausgabe dieser Publikationen waren die Angehörigen der deutschen Minderheit freilich nicht beteiligt.

Beim gesellschaftlich-kulturellen Leben der deutschen Minderheit in der Tschechischen Republik hat die Projektförderung seitens des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds eine hohe Bedeutung. Seit 1999 werden Projekte in den Bereichen Jugendaktivitäten, Bildung, Soziales, Erneuerung von Denkmälern, Umwelt, Kultur, Wissenschaft und Literatur sowie Fachtreffen (Konferenzen, Seminare, Gesprächsforen u. ä.) gefördert. Eine Übersicht der realisierten Projekte, ihrer thematischen Ausrichtung, der Träger und Kosten ist im schon zitierten Bericht über die Lage der nationalen Minderheiten in der Tschechischen Republik für das Jahr 2001 enthalten.

6.2 (kroatische Minderheit)

6.3 (polnische Minderheit)


7. Zur Frage von Eigentums- und anderen Unrechten, die von Bürgern der deutschen und kroatischen nationalen Minderheit gestellt wurde

Aus dem Fragenspektrum, das von den Angehörigen der nationalen Minderheiten aufgebracht wird, konzentriert sich die vorliegende Information auf die Probleme, die sich aus den gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen nach dem Zweiten Weltkrieg ergaben, in Beziehung Stellung der Angehörigen der deutschen und kroatischen nationalen Minderheit in der Gegenwart. In beiden Fällen betrachten die Angehörigen dieser Minderheiten die bisherige Vorgehensweise des Staates gegenüber ihnen bei der Beseitigung von Eigentums- und anderen Unrechten aus der Vergangenheit als diskriminierend.


7.1 Stellung der tschechischen Bürger deutscher Nationalität

Ein Anzeichen für die Stellung der Angehörigen der deutschen Minderheit in der Gegenwart ist ihre Selbstreflexion, die von Vertretern der Landesversammlung der Deutschen gegenwärtig in den folgenden Materialien präsentiert wird:

a) Eingabe von 2001, adressiert an den Petitionsausschuss des Abgeordnetenhauses des Parlaments der Tschechischen Republik,

b) Eingabe an den Koordinierungsrat des Deutsch-Tschechischen Gesprächsforums von Juni 2002,

c) Brief aus dem November 2002 an den stellvertretenden Ministerpräsidenten und Vorsitzenden des Regierungsrats für nationale Minderheiten Petr Mareš, zur Kenntnisnahme auch an die Präsidenten beider Kammern des Parlaments der Tschechischen Republik und ihre zuständigen Organe.

Diese Eingaben beschreiben kurz die historische Entwicklung der Stellung der Angehörigen der deutschen Minderheit nach dem Zweiten Weltkrieg und fordern die Tschechische Republik auf, in Beziehung zu ihren Bürgern deutscher Nationalität eine humanitäre Geste zu unternehmen und die an diesen Bürgern verübten Eigentums- und anderen Unrechte zu mildern. Auch wenn die Eingaben hinsichtlich des Inhalts gleich sind, sind sie doch sehr unterschiedlich aufgearbeitet. Im folgenden sollen die vorgelegten Anträge deshalb zusammengefasst werden.

7.1.1 Eingabe der Landesversammlung der Deutschen – Antrag auf Entschädigung der Angehörigen der deutschen Minderheit (2001)

Die Landesversammlung der Deutschen leitete am 15. August 2001 einen Antrag auf die Entschädigung der Bürger deutscher Nationalität in der Tschechischen Republik an den Petitionsausschuss des Abgeordnetenhauses des Parlaments der Tschechischen Republik. Es handelt sich um ein umfangreiches Dokument, das neben dem Antrag auf Entschädigung der Bürger deutscher Nationalität in Tschechien auch eine eingehende Beschreibung der Entwicklung der Stellung der deutschen Minderheit in der Tschechoslowakei seit Mai 1945 enthält. Die Betonung lag auf der Stellung von Personen, die nicht in den Aussiedlungsprozess einbezogen waren. Der Kommentar betrifft auch ausgewählte Dekrete des Präsidenten der Republik und abschließend wird eine Übersicht der Quellen und grundlegenden Literatur zur gegebenen Problematik angeführt. Die Form dieses Materials stieß jedoch auf zahlreiche Anmerkungen seitens der Mitglieder des Präsidiums der Landesversammlung der Deutschen. Auf der Herbstsitzung der Landesversammlung (Oktober 2001), bei der auch ein neues Präsidium gewählt wurde, zeigte es sich, dass das Material unter den Vertretern der regionalen Verbände und im neu gewählten Präsidium keine konsensuelle Unterstützung hatte. Die Eingabe enthält die folgenden Forderungen:

a) Beide Kammern sollen einen Beschluss verabschieden, nach dem die Präsidenten-dekrete Nr. 12/1945 Slg., Nr. 33/1945 Slg., Nr. 71/1945 Slg. und Nr. 108/1945 Slg. für in der Tschechischen Republik lebende Bürger deutscher Nationalität ihre Gültigkeit verlieren.

b) Rückgabe des Bürgern deutscher Nationalität konfiszierten Eigentums; im Falle, dass das Eigentum nicht mehr körperlich existieren sollte, Leistung einer finanziellen Ersatzzahlung in Höhe der aktuellen Schätzung des Eigentums zum 1. Januar 2001.

c) Entschädigung für die Arbeitspflicht, die sich auf alle Personen deutscher Nationalität in Sammel-, Internierungs- oder Arbeitslagern bezog, und zwar in Form einer finanziellen Beihilfe zur Altersrente, der einmaligen Auszahlung eines Betrags in Höhe von 20 % der Durchschnittslohns in der Tschechischen Republik am 1. Januar 2001 für jeden begonnenen Monat der Arbeitspflicht bzw. die einmalige Auszahlung eines Betrags, der der Höhe des Durchschnittslohns in der Tschechischen Republik zum 1. Januar 2001 entspricht, für jeden begonnenen Monat der Arbeitspflicht, in dem keinerlei Lohn gezahlt wurde.

d) Rückgabe der Guthaben auf Sperrkonten von Angehörigen der deutschen Minderheit in Höhe der Umrechnung auf die Kaufkraft zum 1. Januar 2001.

e) Entschädigung durch einmalige Auszahlung eines Betrags in Höhe von 10 000 CZK für die durch die Zwangsumsiedlung verursachten Schäden.

f) Entschädigung durch einmalige Auszahlung eines Betrags in Höhe von 10 000 CZK wegen der Tatsache, dass Bürgern deutscher Nationalität die Verwendung von akade-mischen Titeln und die Ausübung einer ihrer Bildung entsprechenden Arbeit verweigert wurde.

Der Petitionsausschuss des Abgeordnetenhauses des Parlaments der Tschechischen Republik erörterte die Eingabe unter Beteiligung von Vertretern der Landesversammlung der Deutschen am 10. Januar 2002. Im gefassten Beschluss (Nr. 271/2002) wird festgestellt, dass der Antrag nicht zur weiteren Erörterung fähig ist, sofern die in ihm enthaltenen Forderungen nicht in Forderungen zur Revision der Rechtsordnung der Nachkriegsentwicklung und Forderungen zur Wiedergutmachung individueller Unrechte von Einzelnen im Rahmen der tschechoslowakischen Rechtsordnung aufgeteilt werden.

Die in diesem Zusammenhang erfolgte Debatte im Petitionsausschuss ergab klar, dass der Ausschuss von den Vertretern der deutschen Minderheit eine Konkretisierung ihrer Forderungen und die Vorlage eines neuen Antrags erwartet. Die folgenden Diskussionen in der Leitung der Landesversammlung der Deutschen und im breiteren Rahmen bei Vertretern der Leitungen der Regionalverbände bestätigten jedoch, dass die Unterschiede in den Standpunkten der einzelnen Mitglieder keine Vorbereitung eines neuen Materials in Form einer Petition ermöglichen, die eine Spezifizierung der angedeuteten Forderungen in der erwähnten Eingabe bringen würde.


7.1.2 Eingabe der Landesversammlung der Deutschen an den Koordinierungsrat (2002)

Die Vertreter der deutschen Minderheit legten am 28. Juni 2002 auf der Sitzung des Koordinierungsrates in Berlin eine Eingabe vor, die im zeitlichen Zusammenhang mit dem vorbereiteten Bericht zur Lage der nationalen Minderheiten in der Tschechischen Republik für das Jahr 2001 erstellt wurde. Es handelt sich um eine Unterlage, die die Präsidentin der Landesversammlung der Deutschen Irene Kuncová an das Sekretariat des Regierungsrats für nationale Minderheiten anlässlich der Erarbeitung des angeführten Regierungsberichts9 sandte. Die Vertreter der Landesversammlung der Deutschen erwähnten in der Einleitung zur Eingabe auch die Verpflichtung, sich auf der Herbstsitzung mit der Vorbereitung einer neuen Petition befassen zu wollen, die sie dann dem Petitionsausschuss des Abgeordnetenhauses des Parlaments der Tschechischen Republik vorzulegen beabsichtigten (siehe oben). Für die Erörterungen wurden folgende Themenbereiche angekündigt:

 Möglichkeit der Milderung von Unrecht infolge der Konfiszierung von Eigentum,

 Frage des erschwerten Zugangs zur Bildung (d. h. Verweigerung des Zugangs) in der Nachkriegszeit,

 Unterricht von Deutsch als Muttersprache,

 Diskriminierung im Bereich der Rentenversicherung, Nichtanrechnung von Zeiten bei der Berechnung der Altersrente,

 verursachte Schäden durch Abzug von sog. außerordentlichen Lohnabzügen in Höhe von 25 % des Lohns.

Ein gesonderter Teil der Eingabe ist der Beitrag des Mitglieds des Koordinierungsrats Walter Piverka, der eine Zusammenfassung der heutigen Erkenntnisse über die Entwicklung der deutschen Minderheit im Gebiet des heutigen Tschechiens ab 1945 darstellt.


7.1.3 Brief der Landesversammlung der Deutschen (November 2002)

Die Landesversammlung der Deutschen wandte sich mit einem Brief vom 6. November 2002 an den stellvertretenden Ministerpräsidenten und Vorsitzenden des Regierungsrats für nationale Minderheiten Petr Mareš, eine Kopie dieses Briefs wurde dann auch am 26. November 2002 zur Kenntnisnahme an den Präsidenten des Abgeordnetenhauses Lubomír Zaorálek, den Senatspräsidenten Petr Pithart, die Vorsitzende des Petitionsausschusses des Abgeordnetenhauses Zuzka Rujbrová, den Vorsitzenden des Unterausschusses für nationale Minderheiten des Petitionsausschusses des Abgeordnetenhauses Václav Votava und den Vorsitzenden des Senatsausschusses für Bildung, Wissenschaft, Kultur, Menschenrechte und Petitionen František Mezihorák geschickt. Der Brief stellt eine Anregung zur Suche einer humanitären Geste dar, die die Angehörigen der deutschen Minderheit von der tschechischen Regierung erwarten. Die Anregung stützt sich auf die Thesen, die die Landesversammlung der Deutschen am 21. September 2002 auf ihrer Plenarversammlung als Fazit der Diskussion zur vorbereiteten Eingabe an den Petitionsausschuss des Abgeordnetenhauses des Parlaments der Tschechischen Republik bis Ende 2002 verabschiedet hat. Der Brief stellt ferner fest, dass sich die Teilnehmer dieser Sitzung auf die folgenden Thesen einigten10, in denen das Folgende gefordert wird:

 eine Stellungnahme beider Kammern des Parlaments der Tschechischen Republik zur Lage der deutschen Minderheit in der Tschechischen Republik,

 die Suche nach einem Weg zu einer humanitären Geste,

 die Suche nach einem Weg zur Bildung in der Muttersprache,

 die Anrechnung aller Arbeitsjahre für die Berechnung der Altersrente,

 die Überprüfung von Fällen der unberechtigten Konfiszierung von Eigentum,

 die Milderung von Unrecht durch Herausgabe von Vermögen in Staatseigentum; in den übrigen Fällen finanzieller Ersatz einschließlich der Möglichkeit von Entschädigungen für Nachkommen der Berechtigten.

Die Forderung nach einer humanitären Geste zur Minderung des materiellen und anderen Unrechts an Staatsangehörigen der ČR deutscher Nationalität wird von den Vertretern der deutschen Minderheit nicht näher erläutert, jedoch lässt sich deren Projezierung und Spezifizierung im Rahmen der Tätigkeit des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds überdenken.

7.2 (kroatische Minderheit)



1 Veröffentlicht unter Nr. 521/1992 Slg., über die Unterzeichnung des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik über gute Nachbarschaft und Freundschaftliche Zusammenarbeit.

2 Veröffentlicht unter Nr. 78/2001 Slg., über die Unterzeichnung der Vereinbarung zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Tschechischen Republik über die kulturelle Zusammenarbeit.

3 Veröffentlicht unter Nr. 47/2002 Slg., über die Unterzeichnung der Vereinbarung zwischen der Regierung der Tschechischen Republik und der Regierung der Kroatischen Republik über die Zusammenarbeit im Bereich Kultur, Schulwesen und Wissenschaft.

4 Veröffentlicht unter Nr. 416/1992 Slg., über die Unterzeichnung des Vertrags zwischen der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik und der Polnischen Republik über gute Nachbarschaft, Solidarität und Freundschaftliche Zusammenarbeit.

5 Gesetz Nr. 83/1990 Slg., über Bürgervereine {Vereinsgesetz}, in der Fassung der späteren Vorschriften.

6 In diesem Zusammenhang haben Vertreter des Kongresses der Polen ihre Unzufriedenheit mit der bisherigen Tätigkeit der im Schulressort eingerichteten Beratungsgruppe zum Ausdruck gebracht.

7 Das Statut des Rats wurde durch Regierungsbeschluss vom 10. Oktober 2001 Nr. 1034 über die Gründung eines Regierungsrats für nationale Minderheiten verabschiedet.

8 Gesetz Nr. 29/1984 Slg., über das System der Grund-, Mittel- und Fachhochschulen (Schulgesetz), in der Fassung der späteren Vorschriften.

9 Der Bericht zur Lage der nationalen Minderheiten in der Tschechischen Republik für das Jahr 2001 ist öffentlich zugänglich, und zwar in tschechischer und englischer Sprache auf der Homepage des Rats, Server Regierungsamt der Tschechischen Republik.

10 Der Eingabe wurde auch eine Anregung von D. Müllerová beigefügt. Sie hält einige Fälle der Konfiszierung von Eigentum von Brünner Antifaschisten deutscher Nationalität erst nach 1948 für besonders erwähnenswert; diesen Bürgern wurden in der Zeit von 1945 – 1950 überhaupt keine Renten ausgezahlt (Beispiel L. Czechová, Witwe des Vorsitzenden der deutschen sozialdemokratischen Partei Czech). Sie wies auch auf Fälle hin, wo Studenten deutscher Hochschulen aus dem Kreis aktiver deutscher Antifaschisten nicht ermöglicht wurde, ihr Studium an tschechischen Hochschulen zu beenden oder zumindest in der damaligen DDR zu Ende zu studieren.